Leider kommt der Wolle heutzutage keinerlei wirtschaftliche Bedeutung mehr zu, da der Erlös beim Wollverkauf im besten Fall die Kosten für die Schur des Schafes decken. Noch 1914 lagen die Einnahmen aus dem Wollverkauf noch über dem Ertrag aus dem Fleischverkauf.
Heutzutage wird die heimische Schafwolle zunehmend verdrängt durch Kunstfasern, Textilfasern, Baumwolle, sowie durch Importwolle aus Übersee. Dies ist eigentlich sehr bedauerlich, da Wolle nachwachsender Rohstoff ist und durch seine besondere Fähigkeit Wasser zu speichern ohne die wärmende Eigenschaft zu verlieren durch kein synthetisches Gewebe übertroffen wird. Selbst sehr dünne Stoffe zeichnen sich durch eine hohe Wärmfähigkeit aus.
Einen besonderen Reiz stellt die Wolle bei der eigenen Verarbeitung dar. Wolle ist ein besonders vielseitiges Material, daß sehr gut selber verarbeitet werden kann. Das Handspinnen der Wolle stellt dabei wohl die bekannteste Verarbeitungsmöglichkeit dar. Wolle ist im Vergleich zu Baumwolle wesentlich einfacher zu Garn zu verspinnen.
Für die eigene Weiterverarbeitung bietet sich auch eine weitere Eigenschaft einiger Wollsorten an. Sie filzt leicht. Mit der Filztechnik können auf einfache Weise wunderschöne Gebrauchsgegenstände hergestellt werden. Wer einmal im Winter gefilzte Handschuhe getragen hat, wird nicht mehr darauf verzichten wollen.
Ein besonderes Erlebnis vor allem für Kinder ist die Arbeit mit gefärbten Märchenwollen. Die Gestaltung von Bildern und dreidimensionalen Landschaften aus dem Naturprodukt Wolle ist ein sehr sinnliches Erlebnis und regt die Phantasie der Kinder an.
Wolle gegen dicke Luft
Beitrag von Renate Ell, aus der Süddeutschen Zeitung vom 17. April
Statt Gestank und Schadstoffe in Innenräumen zu übertünchen, setzen Firmen nun auf Geruchsfresser
Raumparfüms sind in Mode und die Werbung verspricht Harmonie und Wohlbefinden durch liebliche Düfte. Viele Menschen reagieren jedoch ganz anders auf die Wohlgerüche aus der Dose: „Bei Duftstoffallergien verzeichnen wir seit Jahrzehnten einen unglaublichen Anstieg“, sagt Johannes Ring, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie. Die Symptome reichen von Atemnot bis zu schweren Ekzemen. Die Suche nach dem Auslöser ist schwierig. Denn Duftstoffe müssen auf der Verpackung nicht deklariert werden. Manche Firmen geben nicht einmal Auskunft, wenn Ärzte sie in einem konkreten Fall darum bitten. Dabei verwenden die Hersteller duftender Produkte allein in Europa rund 3500 Substanzen in den unterschiedlichsten Mischungen.
Immerhin setzen einige Firmen nicht nur darauf, üblen Geruch zu übertünchen, sondern auch zu beseitigen. So wirbt Procter und Gamble für ein Spray, dass Kleidung nach dem Kneipenbesuch, Möbel oder Vorhänge vom Mief befreien soll. Cyclodextrin sei der Miefkiller, sagt Firmensprecherin Magdalene Hubbuch und versichert: „Das reizt die Haut nicht und wird sogar in Nahrungsmitteln verwendet.“ Die zuckerähnliche Substanz kapsele die Moleküle, die den Geruch verbreiten, in seine kugelförmige Struktur ein und trockne zu Staub. Dass der Mief verschwindet, war etlichen Kunden aber nicht genug, und so gibt es das Spray nun auch mit leichter Duftnote für manche wohl erst Zeichen echter Sauberkeit.
Formaldehyd im Kindergarten
Doch selbst wenn man nichts riecht, kann in einem Raum dicke Luft sein. Anders als im Freien, wo für Autos, Industrie und Kraftwerke Abgasgrenzwerte gelten, gibt es für Möbel und Teppiche keine Gesetze, sondern nur Empfehlungen. Aber selbst wenn alle Möbel aus emissionsarmen „E1“-Spanplatten bestehen: die Masse macht´s. In einem voll möblierten Raum ist der Richtwert von 0,1ppm (parts per million) Formaldehyd schnell überschritten – vor allem wenn Leichtbauwände oder -decken ebenfalls das Schleimhäute reizende Gas emittieren. Raus mit Möbeln und Wänden, wäre oft die beste Lösung, aber die ist teuer.
Was neuerdings einige Firmen als Alternative anbieten, klingt für viele zunächst nicht überzeugender als Knoblauch gegen Vampire: Ein Schafwollvlies soll Formaldehyd absorbieren. Für manche Stadtverwaltungen klang es eher nach dem letzten Strohhalm für die Rettung einer Schule oder eines Kindergartens mit so hoher Belastung der Raumluft, dass der Abriss schon beschlossen war. Beispielsweise in einem Kindergarten in Langenfeld bei Köln, wo Formaldehyd aus den Wänden die Raumluft mit 0,2ppm belastete – doppelt so viel wie der Richtwert. Versuche, die Wände abzudichten, blieben erfolglos. Heute toben die Kleinen wieder durch die Räume, bei unbedenklichen 0,04ppm Formaldehyd; der Wert bleibt seit dem Einbau eines Woll-Vlieses vor zweieinhalb Jahren stabil. „Das kann noch gut zehn Jahre dauern, bis die Wolle erschöpft ist“, vermutet der Chemiker Gerd Zwiener vom eco- Umweltinstitut in Köln, der das Produkt der Firma Doppelmayer aus Kempten untersucht hat. In Begasungskammern mit 300 ppm Formaldehyd testete er das Luftreinigungsvermögen der Wolle quasi im Zeitraffer: Die Konzentration sank binnen zwei Stunden um rund 85 Prozent. Langzeit-Praxiserfahrungen gibt es allerdings noch nicht, dazu sind die Produkte noch zu neu.
Aber wie kann Wolle Chemikalien schlucken? Untersuchungen am Deutschen Wollforschungsinstitut in Aachen ergaben, dass das Protein Keratin, aus dem die Wollfasern bestehen, kleine Moleküle bindet. Zwischen Aminosäuren an der Faseroberfläche entstehen aus eingefangenen Molekülen brückenartige Vernetzungen. Um die reaktive Oberfläche freizulegen, wird die Wolle nach dem Scheren vollständig entfettet. Einzige Zugabe ist ein Sulfonamid als Mottenschutzmittel. Entscheidend für die Funktion ist die Verdichtung der Wolle im Vlies, wodurch eine große Oberfläche entsteht.
Die Methode funktioniert mit kleinen reaktiven Molekülen wie Ozon, Stickstoffoxiden und Schwefeldioxid, aber auch mit vielen Geruchsstoffen etwa aus Zigarettenrauch oder wie man sie vom Moder-, Urin- oder Zahnarztgeruch kennt. Wobei die Vliese selbst höchstens etwas nach Wolle riechen, versichert jedenfalls Wolfgang Wirtz von der Firma amnos in Walddorfhäslach, der das Vlies vertreibt. Freibrief für seltenes Lüften oder gar schlechte Möbel und Baumaterialien ist die Wolle aber nicht, betont Zwiener: „Ein Regal, das zu viel Formaldehyd emittiert, muss raus.“